06. Juni 2013
Theaterprojekt der LWL-Klinik Herten feierte Premiere
Ruhrfestspiele 2013: Die Verwandlung und Ein Bericht für eine Akademie frei nach Kafka
Vor einem Jahr präsentierte die LWL-Klinik Herten für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erstmals ein eigenes Theaterprojekt auf großer Bühne. Mit Unterstützung der Ruhrfestspiele Recklinghausen zeigte die Klinik auch in diesem Jahr Eindrucksvolles. Verstärkt um den vor allem auf der Theaterbühne beheimateten Schauspieler Georg Luibl interpretierten Patientinnen, Patienten und Mitarbeitende zwei bekannte Erzählungen von Franz Kafka: „Die Verwandlung“ und „Ein Bericht für eine Akademie“. Unter der Regie von Sandra Anklam, Drama- und Theatertherapeutin der LWL-Klinik Herten, wurden in den vergangenen Monaten Ideen umgesetzt, biografische Textbausteine entwickelt und gemeinsam geprobt. Kein einfaches Unterfangen: „Die beiden Erzählungen von Kafka haben einen hohen künstlerischen wie persönlichen Anspruch“, so die Therapeutin. „Die Teilnehmenden haben sich intensiv auch mit ihren eigenen Verwandlungsgeschichten auseinandergesetzt.“
Zum Inhalt: Ein Affe schildert den geglückten Weg seiner Anpassung an die Menschen. Ein Käfer ist genau an dieser Anpassung gescheitert und vom Menschen zum Ungeziefer geworden. Zwei Perspektiven, zwei Entwürfe: Der Affe sucht nach einem Ausweg und findet ihn durch die Verleugnung der eigenen Bedürfnisse.
Der Käfer – ehedem Gregor Samsa – lebt mit seiner Familie zusammen, arbeitet viel, ist unglücklich und fügt sich seinem Schicksal. Bis zu seiner Verwandlung. Jetzt ist alles anders: Sein Körper gehorcht ihm nicht mehr; er sieht, schmeckt und fühlt anders. Er ist immer noch Gregor, aber nicht mehr derselbe Gregor wie noch am Abend zuvor. Seine Umwelt reagiert mit Angst, Abscheu und Ekel. Er selbst schwankt zwischen Ignoranz, Mitleid und Verwunderung. Er versucht sich einzurichten und seine Familie tut dies auch – mehr schlecht als recht. Alle versuchen eine neue Normalität zu konstruieren, die immer wieder an den alten Vorstellungen und Bildern zerbricht. Und so stirbt Gregor schließlich nach vielen inneren und äußeren Kämpfen einen einsamen und doch erlösenden Tod.
„Die Verwandlung“ und „Ein Bericht für eine Akademie“ bilden den Rahmen für eine spielerische Auseinandersetzung mit dem, was Wandel und Verwandlung bedeuten und auslösen können: gewollte und ungewollte Metamorphosen, Andersartigkeiten, Verdrängung und Wirklichkeitsannahmen, Fluchten und Kämpfe mit sich selbst. „Aber vor allem geht es in den Stücken um Hoffnung und Zuversicht in den großen und kleinen Stürmen des Lebens“, ergänzt Sandra Anklam.
Die LWL-Klinik Herten behandelt Menschen mit Depressionen, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Demenzen und Abhängigkeitserkrankungen – in Form von ambulanten, tagesklinischen, teilstationären und stationären Angeboten. In diesem Rahmen können Patientinnen und Patienten auch das theatertherapeutische Angebot der Klinik wahrnehmen, bei dem mit Hilfe von Rollenspielen und Übungen unter anderem das Selbstbewusstsein aufgebaut wird. „Theater ist Kunst und Therapie zugleich und macht stark“, erklärt Dr. Luc Turmes, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik Herten.
Und so schaffte die LWL-Klinik Herten mit diesem Projekt einen außergewöhnlichen Ansatz an der Schnittstelle von Kunst und Heilung: Patienten und Mitarbeiter standen gemeinsam mit einem professionellen Schauspieler auf der Bühne und setzten sich über das Medium Theater mit ästhetischen Mitteln, einer literarischen Vorlage und nicht zuletzt mit sich selbst auseinander. Neben Sandra Anklam hat Dr. Silke Echterhoff, Ärztin in der LWL-Klinik Herten, im vorletzten Jahr die Theatergruppe ins Leben gerufen. Beide brachten Erfahrungen mit: Sandra Anklam ist u.a. auch als Regisseurin für das Schauspielhaus Bochum tätig und hat zusammen mit Silke Echterhoff eine Theaterproduktion im LWL-Universitätsklinikum Bochum für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Präventivmedizin begleitet, die im Jungen Schauspielhaus schließlich aufgeführt wurde.
„Die Idee der Gruppe ist, sich auf diese Weise für die Entstigmatisierung von Menschen einzusetzen, die an einer psychischen Erkrankung leiden“, so der Ärztliche Direktor abschließend. „Damit sind wir Herrn Dr. Hoffmann sehr dankbar, dass er uns bei der Realisierung dieses Projekts unterstützt.“
Bild 1:
„Die Verwandlung“ und „Ein Bericht für eine Akademie“ – die beteiligten Darsteller in Aktion (Bild: Wolfgang Kühnen/LWL)
Bild 2:
Schauspieler Georg Luibl verstärkte das Ensemble der LWL-Klinik Herten (Bild: Wolfgang Kühnen/LWL)