03. Februar 2025

Zur ePA-Einführung gemeinsam Brücken bauen

„Praxisdialog Informations- und Medizintechnik 2025“ im Zeichen der elektronischen Patientenakte

© KGNW Ganz im Zeichen der elektronischen Patientenakte (ePA) stand der diesjährige „Praxisdialog Informations- und Medizintechnik 2025“ in der zweiten Januarwoche in Duisburg. Das Schwerpunktthema lautete: „ePA für alle“ und ihre Einführung im Krankenhaus aus klinischer, technischer und organisatorischer Sicht. Weitere Themen: Management von eHealth-Kartenterminals, Zugang zur Telematikinfrastruktur via TI-Gateway und die Informationssicherheit der „ePA für alle“. Flankiert wurde die Fachtagung der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) von einem kleinen Messebereich mit verschiedenen Branchenausstellern.

Nachdem es in den vergangenen Wochen viele Diskussion rund um die Einführung der ePA gab, um ihren Nutzen und mögliche Bedenken, läuft inzwischen seit Mitte Januar die vierwöchige Modellphase in Hamburg und Franken und in Nordrhein-Westfalen. In drei verschiedenen Regionen werden hier sowohl motivierte Arztpraxen als auch Krankenhäuser die „ePA für alle“ mit ihren Funktionen testen. Bei einem erfolgreichen Pilotprojekt soll sie in ganz Deutschland ausgerollt werden. Inzwischen ist die Rede von einer Verschiebung dieses Startdatums auf März/April, wie nach der Veranstaltung bekannt wurde. In seiner Begrüßung für die rund 60 Teilnehmenden wies Frank Kriege, Vorsitzender der Kommission Informations- und Medizintechnik der KGNW und Abteilungsleiter Informations- und Medizintechnik am Städtischen Klinikum Solingen, auf die Chancen der „ePA für alle“ hin und zitierte einen Österreichischen Experten im Gesundheitswesen: „In Deutschland müssen wir aus dem Tal des Jammerns herauskommen und den Wandel als Chance begreifen.“

Ordnergroße Papierakten fallen weg

Daniela Aufermann, Chief Digital Officer der Kinderklinik Datteln, die an der ePA-Pilotphase teilnimmt, unterstrich in ihrem Vortrag „Von interner ePA zur ,ePA für alle‘: Gemeinsam Brücken bauen“ diese Sicht. Die ePA verbessere durch ihre sektorenübergreifende Funktion erheblich die Behandlung der Patientinnen und Patienten. Ihre Vorteile:

  • (Vor-)Befunde des Einweisers sind direkt verfügbar und importierbar
  • Kein Nachfragen mehr bei Patientinnen und Patienten
  • Kein Vergessen mehr durch Patientinnen und Patienten (als „Briefträger“)
  • Kein Hinterhertelefonieren bei ambulanten Leistungserbringern und keine Befunde per Fax
  • Kein Einscannen mitgebrachter Vorbefunde (zum Teil ordnerweise)
  • Kein Suchen der kopierten Vorbefunde und/in der Papierakte

Daher sieht die Digitalisierungsexpertin den Schritt weg von der Papier- hin zur digitalen Akte als notwendig an: „Durch die ePA werden die stellenweise ordnergroßen Papierakten bei uns in der Kinderonkologie wegfallen.“ Die ePA bezieht dabei – im Gegensatz zu KIM (Kommunikation im Medizinwesen) oder Patientenportal (PP) – die Patientin und den Patienten in die Arzt-zu-Arzt-(Doc-2-Doc)-Kommunikation ein. Überdies hält das klinische Team im Behandlungsprozess die Vorbefunde bereits vor der Behandlung parat.

Dann präsentierte die Digitalisierungsexpertin einen Muster-Fahrplan für die Einführung der ePA mit fünf Schritten:

  1. Die Basis: Aufbau-/Ablauforganisation und Strategie für die Digitale Transformation
  2. Aufklärung: Information und Kommunikation für Mitarbeitende und Familien sowie Patientinnen und Patienten
  3. Technische Bereitstellung aller notwendigen Elemente (KIS Modul, eGK-Lesegeräte, in der Regel schon lange vorhandene TI- Basisinfrastruktur)
  4. Prüfen der Prozesse
  5. Eventuelle Teilnahme am NRW-Pilotprojekt

Als Learnings aus dem jahrelangen Digitalisierungsprozess im Allgemeinen und der ePA-Einführung im Besonderen gab sie den Teilnehmenden mit auf den Weg:

  • Digitalisierungsbeauftragte als fest in die digitale Transformation eingebundene Ansprechpartner der Fachbereiche sind eine Bereicherung.
  • Durch fortlaufende Information und Beteiligung werden die Veränderungsphasen schneller durchlaufen.
  • Digitalisierung, die einen direkten Nutzen beim Anwender erzeugt und ein akutes Problem löst, wird bereitwillig angekommen und sogar aktiv eingefordert (ePA, Patientenportal).
  • Proaktives Vorgehen und Einplanen der ePA in die Digitalisierungsstrategie sowie regelhafte Information und Kommunikation zum Thema beseitigen Ängste und Unsicherheiten zu diesem komplexen Thema.

Von der anderen Seite, aus Sicht der Krankenkassen, beleuchtete Jörg Marquardt, Referent Vernetzung im Gesundheitswesen der VIACTIV Krankenkasse mit Sitz in Bochum, die Einführung der „elektronischen Patientenakte für alle“. Er listete zu Beginn einige, wenig bekannte Fakten zur ePA, gerade hilfreich für Versicherte, auf:

  • ePA-Anlage erfolgt ab Geburt oder Versicherungsbeginn.
  • Widersprüche bei Kassenwechsel werden automatisch übernommen.
  • Nutzung der ePA-App ab dem 15. Lebensjahr.
  • Die Erziehungsberechtigten können für Kinder unter dem 15. Lebensjahr die ePA ihrer Kinder verwalten. Möglich ist dies über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) des Kindes oder die Vertreterregelung in der ePA-App.
  • Abrechnungs- und E-Rezept-Daten werden in die ePA übertragen, ohne dass der Versicherte aktiv werden muss.
  • Hinterlegte Daten in der ePA-Akte bleiben ein Jahr nach Tod der Versicherten gespeichert und werden im Anschluss gelöscht.

Breitere Einführung, Akzeptanz und neue Funktionen als Wunschbild

Die ePA lässt sich digital (via Smartphone, Tablet oder Computer) oder analog über die eGK nutzen. Die Verifizierung erfolgt wahlweise per Nect-Ident-Verfahren (Verifizierung mittels Online-Ausweisfunktion des Personalausweises), über die persönliche Identifizierung im Kundenservice oder als sichere Zustellung durch die Deutsche Post.

Um Bedenken aus Sicht der Patientinnen und Patienten zu zerstreuen, wies der Kassenvertreter auf die strengen Sicherheitskriterien für die ePA hin: Das aktive Befüllen und Nutzen erfolgt freiwillig. Versicherte halten die volle Zugriffskontrolle über ihren Inhalt. Sie unterliegt strengen Datenschutzregeln. Versicherte erleiden keinerlei Nachteile nach einem Widerspruch gegen die gesamte ePA, gegen Abrechnungsdaten der Krankenkasse, gegen die Übermittlung von E-Rezept-Daten, gegen die Datenübermittlung für Forschungszwecke oder gegen den digitalgestützten Medikationsprozess (dgMP). Traditionelle Wege der Datenweitergabe und Dokumentation bleiben bestehen. Ansprechpartner für die Entgegennahme und Bearbeitung aller Widersprüche ist die Ombudsstelle der Krankenkasse. Aus Sicht seiner Krankenkasse biete die ePA Vorteile für alle Beteiligten im Gesundheitssystem: Die Versicherten profitieren durch Effizienz, bessere Versorgung und Zufriedenheit. Er wünscht sich noch eine breitere Einführung und Akzeptanz und die Integration neuer Funktionen, beispielsweise KI-gestützte Analyse.

Große technische und prozessuale Herausforderungen für Krankenhäuser

Einen Perspektivwechsel bot Benjamin Lenk, Leitung eHealth, Alexianer DaKS GmbH in Münster, bei seinem Referat über die „ePA für alle“ aus der Sicht der Krankenhaus-IT. Gerade für einen Träger wie die Alexianer mit 29 Standorten in sechs Bundesländern, 17 Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und rund 80 Altenpflegeeinrichtungen birgt die ePA für alle enorme Herausforderungen. Sie vereinfacht aber auch an vielen Stellen die Prozesse.

Als technische Voraussetzung reichen künftig grundsätzlich der TI-Zugang und das ePA-Modul im Primärsystem (PS), also im dezentralen technischen Datenverwaltungssystem, zum Beispiel die Krankenhausinformationssysteme (KIS). Das Konnektormodul hat ausgedient – wie auch die bisherige Antiviren-Anbindung. Die Last auf dem Konnektor verringert sich. Die Zugriffsfreigabe über das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) im Behandlungskontext wurde erleichtert.

Nachteil: Die ePA-Einführung ist mit weiteren Informationspflichten für das Krankenhaus verbunden, die aber auch mündlich oder per Aushang erfolgen können. Als technische Herausforderungen nannte Benjamin Lenk:

  • Fehleranfälligkeit und Freigabeprobleme beim VSDM-Prüfnachweis
  • Notwendige Anpassung der Metadaten in Formularen des Primärsystems, gegebenenfalls Dokumentenerstellung: Welche Formulare sollen mit welchen Metadaten zu welchem Zeitpunkt an die ePA übermittelt werden? – ein technisch sehr aufwändiger Prozess
  • Gewährleistung der IT-Sicherheit

Als prozessuale Herausforderungen sieht der IT-Fachmann an:

  • Notwendige Prozessanpassung (Metadaten, Aufklärung der Patientin oder des Patienten, Protokollierung eines eventuellen Widerspruchs)
  • Individuelle Widerspruchslösung
  • PDF/A-Artefakte bei Konvertierung
  • Upload-Verhalten
  • Löschen von Dokumenten
  • Personal, das zu schulen ist

Aus seiner Erfahrung heraus empfiehlt er den Krankenhäusern eine gründliche Vorbereitung. Sie sollten die TI-Anbindung und -Ausstattung prüfen und Maßnahmen für eine Ausfallsicherheit ergreifen, zum Beispiel eine automatische SMC-B-Verifikation im Authentifizierungsprozess des Personals. Kliniken sollten sich frühzeitig mit dem Hersteller ihres Primärsystems in Verbindung setzen. Unabhängig vom Umsetzungsstand sollten sich die Häuser über die internen Prozesse klarwerden. Es sollten zunächst nur die erforderlichen Dokumente umgesetzt werden. Darüber hinaus wies der Experte auf eine Themenseite der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) mit gezielten Umsetzungshinweisen hin.

Fazit des Tages:

Die „ePA für alle“ stellt für die Beteiligten im Gesundheitswesen eine Riesenherausforderung dar, gerade in der Initialphase, bietet aber ungeahnte Chancen und wird mittel- und langfristig die Versorgung der Patientinnen und Patienten enorm verbessern.

Der Dank gilt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den Referentinnen und den Referenten sowie den Ausstellern im Messebereich:

  • Nico Brüggemann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer SIT, Steinfurt
  • Frank Kriege, Abteilungsleiter Informations- und Medizintechnik, Städtisches Klinikum Solingen
  • Daniela Aufermann, Chief Digital Officer, Vestische Jugend- und Kinderklinik Datteln
  • Milan Dax, Bereichsleiter IT Service Medizin, Pflege und Soziales, St. Augustinus Gruppe, Neuss (Vortrag kurzfristig abgesagt)
  • Dr. Moritz Esdar, Referent Geschäftsbereich Digitalisierung und eHealth, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Berlin
  • Benjamin Lenk, Leitung eHealth, Alexianer DaKS GmbH, Münster
  • Jörg Marquardt, Referent Vernetzung im Gesundheitswesen, VIACTIV Krankenkasse, Bochum
  • Stefan Müller-Mielitz, Geschäftsführer, IEKF GmbH, Ibbenbüren
  • Frederic Naujokat, Geschäftsführer eHealth Experts GmbH, Dortmund
  • Dominik Schmelz, RISE GmbH, Schwechat (Wien)
  • Sascha Stützer, Business Development Manager, Cherry Digital Health GmbH, Auerbach in der Oberpfalz

Die Aussteller im Messebereich:

  • Cherry Digital Health GmbH
  • Sila Consulting GmbH (war kurzfristig verhindert)
  • eHealth Experts GmbH
  • RISE GmbH

Die nächste KGNW-Fachtagung „Praxisdialog Informations- und Medizintechnik im Krankenhaus“ ist für Januar 2026 geplant.