12. Dezember 2024
Laumann versichert: „Krankenhausplanung wird nicht auf den Kopf gestellt“
KGNW-Forum 2024 im Zeichen der Daseinsvorsorge in unsicheren Zeiten
Im Zeichen unsicherer Zeiten, auch für die Krankenhäuser, stand das diesjährige Forum der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) am 11. Dezember im Düsseldorfer Maritim-Hotel: Regierungs-Aus im Bund, Putins Krieg in der Ukraine, die bevorstehende Amtszeit von US-Präsident Donald Trump, dazu die vielen Fragezeichen rund um die im Hauruck-Verfahren durchgedrückte Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach.
Da bieten die Transparenz und die Einbindung der Krankenhäuser in die NRW-Krankenhausplanung einen positiven Gegenpol. Das hob auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in seiner Rede vor den rund 250 Gästen hervor:
„Wir hatten eine gute Zusammenarbeit mit der KGNW, der Pflege, der Ärztekammer und den Krankenkassen. Alle Beteiligten waren bereit, über den Tellerrand zu schauen. Ich bin ein bisschen stolz auf den Prozess in NRW. Hier ist ein Vertrauen entstanden. (…) Wir haben hier Krankenhaus-Geschichte in Deutschland geschrieben.“
„Grundgerüst der Krankenhausreform stimmt mit NRW überein“
Damit stellte der Landesminister einen wichtigen Unterschied zur Bundesebene in den Fokus: Die dortige Krankenhausreform mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) sei formal beschlossen: „Was kommt auf uns zu? Gar nicht so viel. Das Grundgerüst stimmt mit NRW überein. (…) In NRW wird das Gesetz die Krankenhauslandschaft nicht auf den Kopf stellen, nur zu einer punktuellen Weiterentwicklung führen.“ Sichtliche Erleichterung bei den zahlreich anwesenden Krankenhausvertreterinnen und -vertretern im Saal. Denn die Frage, wie die Bundesreform die praktisch abgeschlossene Landesplanung nachträglich beeinflusst, treibt sie um. Und auch wenn die Feststellungsbescheide des NRW-Gesundheitsministers, die ab 16. Dezember, also kurz vor Weihnachten, auf ihrem Schreibtisch landen, manchmal mit schmerzhaften Einschnitten verbunden seien, sagte KGNW-Präsident Ingo Morell: „Wir haben mit der jetzt spruchreifen Krankenhausplanung eine deutliche Perspektive vor Augen.“ Eine Krankenhausplanung mit viel Dynamik, wie Minister Laumann hervorhob: „Sie ist nicht das Amen in der Kirche, sondern ein lernendes System.“ Eine weitere Befürchtung entkräftete sein Parteikollege Marco Schmitz, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, in der anschließenden Podiumsdiskussion auf Nachfrage: Die für die Umsetzung der Krankenhausplanung bis 2030 bereitstehenden 2,5 Milliarden Euro „bleiben extra“ bestehen und werden Schmitz zufolge nicht auf den Bundes-Transformationsfonds angerechnet.
Laumann will KHVVG nicht kaputt, sondern praxistauglich machen
Doch ungeschoren wollte Minister Laumann seinen Berliner Amtskollegen und seine Steigbügelhalter im politischen Prozess nicht davonkommen lassen: „Das KHVVG ist so wie jetzt sehr schwierig umzusetzen. Ich will es nicht kaputt machen, aber praxistauglich.“ Das erste Problem sieht er im zu eng getakteten Zeitplan des Bundes: „Es stehen einfach noch zu viele Rechtsverordnungen aus. Das Gesetz sollte später in Kraft treten.“ Außerdem sei die Facharztquote zu hoch und nicht umsetzbar: „Du kannst etwas, das du nicht hast, einfach nicht verteilen.“ Das sei vor allem in den ländlichen Regionen mit Problemen verbunden, besonders bei der Notfallversorgung.
Als dritte Schwierigkeit stellt sich für den Landesminister die Frage: „Wie wirken sich die Vorhaltepauschalen in Verbindung mit den DRGs für ein Krankenhaus aus?“ Karl Lauterbach nehme die Fallzahlen per Stichtag zur Basis der Verteilung. Für Laumann ein Unding: „Mit Karl-Josef Laumann wird es keine stalinistische Planwirtschaft bei den Krankenhäusern geben.“ Daher hoffe er nach den Neuwahlen auf einen Gesundheitsminister, „der das Gesetz wieder aufnimmt“. Nach einem dann geschlossenen Koalitionsvertrag sei aber auch zu überlegen, wie damit umzugehen sei, wenn alles so bleibe. Und zu seiner persönlichen Zukunft befragt betonte er: „Ich bin ganz gern in Nordrhein-Westfalen.“
Deutlicher gegenüber den Machenschaften von Bundesgesundheitsminister Lauterbach wurde KGNW-Präsident Ingo Morell (Bild). Er berichtete in seiner Rede von den „unlauteren Mitteln“, mit denen der Bundesminister seine Revolution durchkämpfe. Er machte seinem Ärger über dessen „dauernde Verunglimpfung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für sich schon ehrlos ist“ Luft: „Die Krankenhäuser befinden sich in einer historischen Defizitkrise, weil sie seit bald drei Jahren keine Refinanzierung für die explodierten Inflationskosten erhalten. Die Folge ist ein Milliardendefizit, das Träger in die Knie zwingt.“
Und vor allem ärgert ihn das politische Ränkespiel: Die Länder, die im Bundesrat zugestimmt hätten, forderten kurz danach eine Überarbeitung des KHVVG nach dem Ampel-Aus. „Wir sind nicht gehört worden, oft sogar nicht einmal angehört worden. Am Ende haben Parteiinteressen gezählt, statt sachlicher Erwägungen. Und so wie die Krankenhäuser jetzt von einer vergeigten Krankenhausreform überfordert werden, so ist vielleicht die Politik von den vielen Krisenherden überfordert.“
Krise erfordert Gesundheit – mit Krankenhäusern auf einem oberen Level
Genau dies war eines der Themen des Berliner Politologen Albrecht von Lucke (Bild), der in mitreißenden 30 Minuten die Frage „Krisenmodus allerorten: Wieviel Daseinsvorsorge wollen und können wir uns leisten?“ beantwortete. Hier beschrieb er das künftige Primat der Außenpolitik, einhergehend mit massiv steigenden Militärkosten, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. „Das erschwert unsere wirtschaftliche Lage und wird auch für die Innenpolitik Folgen haben.“ Und damit für die Daseinsvorsorge und für die Gesundheit: „In einer Krise braucht man Gesundheit. Doch welche Form von Gesundheit können wir uns leisten?“ Seine gute Nachricht mit Blick auf die Bedürfnishierarchie der Menschen: „Gesundheit befindet sich auf einer Ebene ganz weit oben, direkt unter dem Thema Sicherheit.“ Die Krankenhäuser stünden dabei auf einem oberen Level. Wichtig sei jedoch: „Das Gesundheitssystem muss alles auffahren, um seine Stärke zu zeigen. Die Frage lautet: Wie ertüchtigen wir Menschen, um wieder produktiv zu sein?“ Gesundheit stellt also eine wichtige Voraussetzung dar, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Auch die Rolle der Verbände beleuchtete der Politikwissenschaftler – und konnte sich einen Seitenhieb auf den aktuellen Bundesgesundheitsminister nicht verkneifen: „Mancher Minister hat sich eher in seiner Internet-Leidenschaft geübt, als mit denen in Kontakt zu stehen, die am Boden arbeiten. Ich hege die Hoffnung auf eine andere Politik unter Einbeziehung aller Kräfte, die diese Republik stark gemacht haben. Dazu gehören die Verbände.“
Mehr Partizipation und mehr Markus Lanz
Daran hatte es in der Vergangenheit vor allem in der Krankenhauspolitik erheblich gehapert. Das wurde auch bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Albrecht von Lucke (auf dem Bild links), Bernhard Daldrup (Zweiter von rechts), MdB, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Radtke (Bildmitte), MdEP und neuer Bundesvorsitzender der CDU-Sozialausschüsse (CDA), sowie Dr. Gerald Gaß (links), Vorstandsvorsitzender Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), deutlich. Dr. Gaß beklagte dort massiv die mangelnde Partizipation. SPD-Mann Daldrup stimmte ihm darin zu: „Akzeptanz entsteht durch Partizipation“. CDA-Vorsitzender Radtke gab augenzwinkernd den Tipp, „bei Markus Lanz aufzutreten, um diesen Minister nachhaltig zu erreichen“.
Der Bundestagswahlkampf ist bereits angelaufen. Das zeigte sich auch in den Diskussionen auf zwei Podien, moderiert von Ralph Erdenberger (auf den Biildern rechts). Denn auch nach Laumanns Vortrag wurde debattiert. Auf der Bühne saßen: Thorsten Klute (Bildmitte), MdL, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Marco Schmitz (Zweiter von links), MdL, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Susanne Schneider (Zweite von rechts), MdL, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, und KGNW-Präsident Ingo Morell (links). Schneider und Klute aus zwei der drei Ampel-Parteien lobten – nicht ganz überraschend – die Krankenhausreform von Minister Lauterbach: „Sie war fällig.“ (Schneider) und ist ein „weitreichender Fortschritt“ (Klute).
Auf der Bühne saßen: Thorsten Klute (Bildmitte), MdL, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Marco Schmitz (Zweiter von links), MdL, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Susanne Schneider (Zweite von rechts), MdL, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, und KGNW-Präsident Ingo Morell (links). Schneider und Klute aus zwei der drei Ampel-Parteien lobten – nicht ganz überraschend – die Krankenhausreform von Minister Lauterbach: „Sie war fällig.“ (Schneider) und ist ein „weitreichender Fortschritt“ (Klute).
Ohne saubere Betriebskostenfinanzierung keine Investitionen
Bei dieser Debatte stand jedoch die NRW-Krankenhausplanung im Vordergrund. Susanne Schneider kritisierte anfängliche handwerkliche Fehler („falsche Zuweisungen“), Thorsten Klute ihre „Unterfinanzierung“: „Als Bedarf angemeldet sind sieben Milliarden Euro. Das Land stellt aber nur 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung.“ Er kündigte eine SPD-Initiative an, weitere zwei Milliarden Euro jährlich aus Mitteln der NRW-Bank bereitzustellen. Sein CDU-Kontrahent Marco Schmitz entgegnete, die 2,5 Milliarden Euro seien nur der Start: „Wir müssen gucken, woher mehr Geld an Investitionskosten kommt.“ Das sei Verantwortung des Landes. Dringend notwendig ist das auch aus Sicht von Ingo Morell, „sonst wird der Krankenhausplan nicht umgesetzt werden können“. „Damit wir aber investieren können, müssen wir die Betriebskostenfinanzierung auf Stand bringen. Es muss auf Bundesebene eine Überbrückungsfinanzierung geben.“