09. Dezember 2024

Steigende Gewalt gegen Klinikbeschäftigte braucht eine umfassende Gegenstrategie

KGNW nimmt an „SICHERER STUNDE“ von #sicherimDienst zum Thema Gewaltschutz im Gesundheitswesen teil

© KGNW/#sicherimDienst Das Thema „Gewaltprävention im Krankenhaus" hat durch jüngste Übergriffe auf Klinikpersonal leider an Aktualität und Brisanz gewonnen. Vor diesem Hintergrund nahm die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) Mitte November an der Gesprächsrunde DIE SICHERE STUNDE des Präventionsnetzwerks #sicherimDienst teil. Der Titel: „Gewaltschutz im Gesundheitswesen – Zwischen Gefahr und Fürsorge: Herausforderungen und Lösungsansätze für Schutz und Sicherheit“. Die Gesprächspartner waren Beschäftigte sowie Expertinnen und Experten aus Medizin, Pflege, Krankenhausleitung, Präventionsarbeit und Polizei. Sie beleuchteten die vielseitigen Aspekte von Gewalt und Konflikten im Gesundheitswesen. Die Veranstaltung wurde online live übertragen und steht auf Abruf bei Youtube bereit. Als Vertreter der KGNW nahm Präsidiumsmitglied Nils Krog, Geschäftsführer des Klinikträgers Ategris (auf dem Foto Zweiter von rechts), teil. Moderatorin war Anne Herr (Bildmitte) von der Stabsstelle des Präventionsnetzwerks #sicherimDienst. Das Netzwerk ist eine Initiative der NRW-Landesregierung und beim Polizeipräsidium Münster angesiedelt.

Besonders in Notaufnahmen, die als Brennpunkte von Konflikten und Gewalt beschrieben werden, zeigt sich der Spagat, sowohl die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zu berücksichtigen als auch die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Daher sind hier Aspekte wie Prävention, das richtige Handling eskalierender Situationen sowie eine wirksame Nachsorge für Betroffene essenziell.

Thema „Gewaltprävention“ muss von oben gelebt werden

Nils Krog ordnete die Situation auf Landesebene ein und unterstrich, was Krankenhausleitungen zum Schutz des Personals tun können: „Uns geht es unter anderem darum, das Bewusstsein, dass wir in dem Bereich etwas tun müssen, gegenüber den Kolleginnen und Kollegen in der Geschäftsführung deutlich zu machen. (…) Wir reden bei Gewalt nicht nur über Extremsituationen. Mit dem schon seitens der KGNW erschienenen Leitfaden wollten wir eine Handreichung geben.“ Die Aufgabe der Gewaltprävention sieht er jedoch auch als politisches Thema, das sich in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern etablieren müsse: „Und wir werden es auch weiter begleiten und in den nächsten Jahren systematischer erfassen und auswerten.“ Ganz wichtig ist dem Ategris-Geschäftsführer: „Das Thema muss von oben gelebt werden.“ Man müsse deutlich machen: „Die Geschäftsführung steht voll hinter dem Tun der Mitarbeitenden und lässt aktiv Konzepte erarbeiten, die den Umgang mit Gewalt für Mitarbeiter vermittelbar macht und Gewalt dann auch minimiert.“

Simon Härtel, Pflegedirektor des Evangelischen Krankenhauses Mülheim (Zweiter von links), schilderte die Herausforderungen aus der Perspektive der Pflegekräfte und der pflegerischen Leitungsebene: „Es gibt auch viele Patienten, die einfach nett und korrekt sind und eine große Dankbarkeit den Ärzten und Pflegekräften entgegenbringen.“ Das aus seiner Wahrnehmung gestiegene Aggressionspotenzial habe manchmal auch mit Problemen in der Kommunikation zu tun.

Weitere Einblicke in die Praxis gab Dr. Leonie Malburg, Ärztin am Celitinnen-Krankenhaus St. Hildegardis in Köln (links): „Gewalt, Beleidigungen, auch körperliche Aggressionen haben leider zugenommen. (...) Gerade in Notaufnahmen und im Intensivbereich erlebe ich das immer wieder. (...) In der Notaufnahme ist Wartezeit ein großer Faktor. (...) Auf der Intensivstation liegt der Schwerpunkt eher im Angehörigenbereich.“ Im St. Hildegardis Krankenhaus in Köln wurden verschiedene präventive Schutzmaßnahmen umgesetzt. Die Beschäftigten tragen beispielsweise Telefone mit Alarmknöpfen, mit denen sie in gefährlichen Situationen sofort Unterstützung durch die Kollegen anfordern oder die Polizei alarmieren können. Darüber hinaus wurde in der Notaufnahme ein speziell eingerichteter Raum als sicherer Rückzugsort in gefährlichen Situationen geschaffen.

Frank Böttcher (rechts) von der Polizei Recklinghausen ist Experte für Kriminalprävention und Opferschutz. Er stellte die polizeiliche Sicht dar: „Überall, wo Leistung gegeben wird und die nicht schnell genug rüberkommt, wollen die Leute das mit Ruck, mit Aggression oder manchmal körperlicher Gewalt durchsetzen.“) Es spiele nicht nur die körperliche Gewalt eine Rolle, sondern auch psychische Gewalt. Es werde massiver Zeitdruck auf das Personal ausgeübt, per Stimme, Fäusteballen, oder manche schlagen mit der Faust auf den Tisch.

Fazit der einstündigen Diskussionsrunde:
Das Bewusstsein für die Problematik wurde in den vergangenen Jahren deutlich geschärft. Der Umgang mit Konflikten und eskalierenden Situationen bedarf jedoch einer umfassenden Strategie, die alle Beteiligten einbezieht – von den Beschäftigten, über die Führungskräfte bis hin zu Klinikleitung sowie Sicherheitsbehörden.

Die KGNW hatte eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aus NRW-Krankenhäusern sowie der Initiative „Sicher im Dienst“ und der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen initiiert und so den Leitfaden „Gewalt und Gewaltprävention im Krankenhaus: Handlungsempfehlungen und Praxistipps für Geschäftsführung und Führungskräfte“ erstellt und 2024 veröffentlicht.